Vom zögerlichen Umgang der Pharmaindustrie mit Social Media

Spannend, wenn sich zur Bedeutung von Sozialen Netzwerken für bestimmte Branchen geäußert wird. Noch spannender, wenn dies eine Unternehmensberatung tut, deren Hauptaugenmerk auf den Life Sciences ruht. So geschehen durch die US-amerikanische BioPharma Advisors, deren Gründer Robert Naumann in einem Interview mit Pixels & Pills ganz sachdienliche Hinweise gegeben hat, welche Bedeutung Social Media für die Pharmazeutische Industrie haben, vor allem aber, warum diese sich mit der Öffentlichkeit im Web 2.0 so schwer tut.

Pharmariesen wie Bayer und Pfizer finden sich selbstverständlich bei Facebook und Twitter. Ratiopharm schon nicht mehr, von Betrieben, sagen wir mal vergleichbar etwa mit der Größe der Ursapharm Arzneimittel GmbH im saarländischen Bübingen, ganz zu schweigen. Warum ist das so? Robert Naumann hat vier Schlüsselprobleme identifiziert, die hier kurz erläutert werden sollen:

Zunächst die Arzneimittelsicherheit, die ein besonders delikates Thema darstellt. Die Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel von 2001 stellt die Grundlage für Pharmakovigilanz dar, für EU-Zulassungen die Verordnung (EG) Nr. 726/2004, für Zulassungen in Deutschland die 16. Novelle des AMG, die ab Mitte diesen Jahres rechtsverbindlich werden wird. Die Erfassung von so genannten "unerwünschten Arzneimittelwirkungen" ist also gesetzlich geregelt. Sie beginnt bei einem Spontanmeldesystem, da Ärzte etwa über ihre Berufsordnung verpflichtet sind, Verdachtsfälle von unerwünschten Arzneimittelwirkungen zu melden, und endet bei national angelegten kontrollierten pharmakoepidemiologischen Studien. Bevor da was an die Öffentlichkeit gerät, muss es sich schon um ein signifikantes Risiko handeln, wie etwa bei der Marktrücknahme des Diabetes-Mittels Avandia im September 2010. 
Nun ist die Volksseele immer dann besonders laut am brodeln, wenn es um ihre Gesundheit geht. Nicht auszudenken also für den Absatz eines Arzneimittels und weiterer Medikamente desselben Unternehmens, wenn z. B. auf Facebook und damit coram publico unbestätigte Meldungen über unerwünschte Arzneimittelwirkungen gepostet würden...

Das zweite Problem besteht laut Robert Naumann darin, dass offensichtlich völlig ungeklärt ist, wer für die Kommunikation via Social Media innerhalb der Pharmafirma überhaupt zuständig und das heißt wohl: geeignet ist. Ist dies die Aufgabe der PR-Abteilung, des Marketings oder eben der Abteilung Pharmakovigilanz? Über welche umfassende Qualifikation müsste ein Social Media Manager verfügen, zumal er ja besonders zeitnah agieren muss? Ein Social Media Manager, der die geforderten Kompetenzen besäße, stellte einen Idealtypus dar. Kann ein Mensch allein all die geforderten Kenntnisse in optimaler Ausprägung besitzen oder entwickeln, von den Sprachen einmal abgesehen? Ich glaube nein. Wie groß müsste dann die Abteilung Social Media, z. B. eines Weltkonzerns sein?

Als drittes Problem identifiziert Robert Naumann die gerade angesprochene Zeitnähe, mit der Kommunikation im Web 2.0 zu erfolgen hat, eben weil Nutzer gewohnt sind, binnen eines kurzen Zeitraums Antwort zu bekommen. Das fordern sie ein. Und aus den oben genannten Gründen dürfte es  für das Unternehmen sehr schwierig sein, dies auch einzulösen.

Zuletzt spricht Robert Nauman die generelle Tendenz der Pharmaindustrie an, mit der Veröffentlichung von medizinisch relevantem Content eher sparsam umzugehen. Man hält sich bedeckt. Das wird nicht zuletzt dem Umstand geschuldet sein, dass die Konkurrenz stets mitliest,ebenfalls auf der Suche nach hochwertigem Content. Genau um diesen Content geht es dem Empowered Patient aber auch. Wovon man nicht reden darf, darüber muss man schweigen? So sieht es dann wohl aus.

Das vollständige Interview lesen Sie hier.

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