Medizintechnologie: Social Media wird die neue Kommunikationszentrale der Unternehmen

Die Unternehmen der Medizintechnologie sollten die Chancen sozialer Netzwerke nutzen und mehr in den Dialog mit Kunden und eine professionellere Kommunikationsarbeit investieren. Diese Meinung vertraten die Experten des 7. Kommunikationskongress Medizintechnologie von MedInform mit dem Titel „Kommunikation 2015: Wie Social Media und gesellschaftlicher Wandel die Unternehmenskommunikation verändern“ am 6. und 7. Juni 2011 in Leipzig. Die Veranstaltung präsentierte Fallstudien zu Social Media und neuen Kommunikationswegen in der MedTech-Branche. Fazit: „Soziale Netzwerke sind die Kommunikationszentralen der Zukunft. Durch Social Media werden Zielgruppen zu Akteuren. Aufgabe der Unternehmen ist es, den Dialog im Netz zu beginnen, den Kunden wie Ärzten, Pflegekräften und Patient zuzuhören und den Dialog zu moderieren und zu gestalten, beispielsweise über Facebook, Twitter oder Wissensforen. Die Social Media-Aktivitäten müssen dabei strategisch angegangen und entsprechende Ressourcen bereitgestellt werden.

Social Media sei für die MedTech-Unternehmen von zunehmender Bedeutung, da auch die Zielgruppen der Unternehmen wie Ärzte und Patienten in sozialen Netzwerken aktiv sind und dort bereits über Produkte diskutieren, so Online-Berater Ralf-Thomas Hillebrand. Gerade für kleine Unternehmen der Medizintechnologie bieten sich beispielsweise bei internationalen Produkteinführungen große Chancen durch soziale Netzwerke, „aber nicht ohne Strategie“, so Franziska Preissing von Novalung. Die Betonung einer Social Media-Strategie und klarer Anweisungen für die Mitarbeiter betonte auch Heiko Leske vom Universitätsklinikum Leipzig. Ziel der Social Media-Maßnahmen der Unternehmen müsse es sein, kundenorientiert zu kommunizieren und dem Unternehmen ein Gesicht zu geben, sagte Rüdiger Hacke von medi. Dass Facebook auch ein wichtiger Bestandteil beim Aufbau einer Arbeitgebermarke im Sinne eines „Employer Branding“ sein kann, zeigte Dr. Holger Storcks von Medtronic. Er sprach von einer Verlagerung von traditionellem Personalmarketing zu Aktivitäten in sozialen Netzwerken. Das Web 2.0 kann auch beim Thema Wissensmanagement genutzt werden, um hilfreiche und zeitgemäße Arbeitswerkzeuge beispielsweise für Mediziner anzubieten, zeigte Vera Schormann von B. Braun anhand des Portals „medperts“.

Online-Kommunikationsberater Ralf-Thomas Hillebrand, Geschäftsführer und Inhaber von „Politik & Internet“ in Berlin, präsentierte vier verschiedene Social Media-Strategien für MedTech-Unternehmen. Die Ausgangslage: die Zielgruppen der Unternehmen wie Ärzte und Patienten(gruppen) sind in sozialen Netzwerken aktiv und diskutieren dort bereits über Medizinprodukte und deren Nutzen. Die erste Strategie müsse daher „Social Media Listening“ sein, das systematische Monitoring von sozialen Netzwerken. Die zweite Strategie „Social Media Broadcasting“ bedeutet, dass alle Unternehmensbotschaften auch in den sozialen Netzwerken verfügbar sein müssten. „Ansonsten verliert man mit dem fortschreitenden Medienwandel Kontakte“, so Hillebrand. Dazu gehöre auch, dass man die eigene Webseite social-media-fähig machen müsse. Neue Zielgruppen erreicht man mit der Strategie des „Social Media Expanding“. Dies funktioniere aber nur über entsprechend neue und spannende Inhalte, die sich im Netz von selbst verbreiten können. Ein zusätzlicher Nutzwert könne beispielsweise über eine Art „Pressespiegel“ zu einer bestimmten Technologie auf einer Facebook-Seite angeboten werden. Auch könne man Zielgruppen die Möglichkeit zum Austausch untereinander geben. Die anspruchsvollste Strategie ist „Social Media Conversating“. Trete das Unternehmen in sozialen Netzwerken in den Dialog, erwarte der Kunde auch ein Gespräch auf Augenhöhe. Kommunikation bei Twitter und Facebook müsse daher umfassend moderiert und begleitet werden, so der Online-Experte.

Wie soziale Netzwerke in einem kleinen Unternehmen der Medizintechnologie genutzt werden konnten zeigte Franziska Preissing, Head of Marketing bei Novalung in Heilbronn. Das junge Unternehmen entwickelt seit 2003 künstliche Lungen. Novalung nutzt die Chancen zum Dialog und zur kostengünstigen Echtzeitkommunikation, die soziale Netzwerke bieten, „aber nicht ohne Strategie“, so Preissing. Zunächst wurden Ziele und Zielgruppen definiert und festgelegt, wer sich wo um was kümmert. Den Twitter-Kanal folgen derzeit 27 Personen und Organisationen überwiegend aus der Fachwelt. Die 115 Besucher des Twitter-Accounts sind „wenig aber wertvoll“, so Preissing. Die Facebook-Seite gefällt 214 Personen, die über Produktneuheiten, Veranstaltungen und neue Literatur informiert werden. Auch auf XING und YouTube ist Novalung präsent. Auf Wikipedia werden Fachthemen erstellt und bearbeitet, beispielsweise zu Beatmungsgeräten. Auf der Webseite bietet das Unternehmen einen umfangreichen Pressebereich an und arbeitet mit „Social Bookmarks“. Preissings Fazit: „Wir erreichen neue Besucher und damit potentielle Kunden. Die Besuchszeiten auf der Webseite verlängern sich drastisch. Insgesamt sind die sozialen Netzwerke insbesondere zur Vorbereitung der internationalen Markteinführungen neuer Produkte geeignet.“

Rüdiger Hacke, Leiter Marketing Medical Deutschland bei medi in Bayreuth, stellte neue Wege in der Markenkommunikation vor. Das Familienunternehmen medi stellt Produkte mit Kompression her, beispielsweise Kompressionsstrümpfe. Die Produkte „dienen der Gesundheit, fördern das Wohlbefinden und steigern die Leistung im Sport“, so das Credo des Unternehmens. Neue Wege ging das Unternehmen beispielsweise im Herbst 2009 durch die Zusammenarbeit mit dem Designer Wolfgang Joop, der elegante und modische Kompressionsstrümpfe unter der Dachmarke „mediven elegance“ entwickelte. Das Trendthema „Kompression“ wurde auch durch die Unterstützung der Vierschanzentournee und weiterer Sportevents und Sportler gefördert. In der Kommunikation entstehe dabei im Internet „eine neue Wirklichkeit zwischen Anbietern und Kunden“, so Hacke: „chaotisch, unübersichtlich, hektisch, voller Leben, voller Neuigkeiten, immer auf Augenhöhe“. Ziel der Social Media-Maßnahmen des Unternehmens sei es, kundenorientiert zu kommunizieren und dem Unternehmen ein Gesicht zu geben. So sei medi auf Facebook jeden Montag mit einer Aktion präsent. Für iPhone und iPad gebe es ganz neu das Spiel „medi socks“ nach dem Motto „Unterhaltung statt Informationsflut – medi mit in den Feierabend nehmen“.

Aufbau und Kommunikation einer Arbeitgebermarke im Sinne eines „Employer Branding“ stellte Dr. Holger Storcks, Leiter Marketing Communication bei Medtronic Deutschland, vor. Sein Unternehmen habe eine hohe Arbeitnehmerzufriedenheit, sei außerhalb der Branche aber nur wenig bekannt gewesen und habe als Arbeitgebermarke ein diffuses Image gehabt. Ziel war die „Profilierung der Marke Medtronic als Employer Brand“. Dazu wurde eine Positionierung erarbeitet, junge Zielgruppen systematisch angesprochen sowie moderne und zielgruppengerechte Kommunikationskanäle integriert. Dies alles geschah mit einer einfachen, emotionalen, modernen und authentischen Sprache. Für die Kampagne „Werde Medtronaut. Mach Dir das Leben zur Aufgabe“, die im November 2010 zunächst intern startete, wurden echte Mitarbeiter als Fotomodelle genommen. Der Kommunikationsmix bestand aus Stellen- und Imageanzeigen, einer Broschüre, Roll-ups und Give aways, aber auch Onlinemedien wie einer Landingpage (www.der-job-fuers-leben.de), Web-Banner, Online-Anzeigen, Videos und Social Media-Aktivitäten. Die neue Facebook-Seite, die am 8. April 2011 startete, hat derzeit rund 240 Fans und verzeichnete bereits über 30.000 Seitenaufrufe. Storcks Fazit: „Employer Brand stärkt die Dachmarke und hat eine positive Imagewirkung - extern und intern. Insgesamt gibt es eine Verlagerung von traditionellem Personalmarketing zu Aktivitäten im Bereich Web 2.0“.

Ein Fallbeispiel aus dem Wissensmanagement und für ein zielgruppenorientiertes Online-Projekt im Gesundheitsmarkt präsentierte Vera Schormann, Head of Corporate Knowledge Management bei B. Braun Melsungen. Ende März 2011 ging „medperts“ als Portal für Chirurgen, Anästhesisten und Intensivmediziner an den Start. Der Log-In ist nur für Ärzte möglich. Medperts bietet gebündelte Recherchemöglichkeiten, aktuelle Themen zugeschnitten auf das fachliche Interesse der Zielgruppen sowie die Möglichkeit zum Kontakt und Austausch mit Kollegen. Die Fachrecherche bietet Zugriff auf mehrere Quellen und auf Volltexte aus verschiedenen Datenbanken. Aktuelle Themen und Entwicklungen werden von einer Fachredaktion zusammengefasst und bereitgestellt. Ein Veranstaltungskalender bietet eine Übersicht zu Kongressen und Fortbildungen. Außerdem können auf der Plattform Kollegen gefunden und Ideen ausgetauscht werden. Dabei gibt es geschlossene und offene Fachgruppen, die von einem Moderator geführt werden. Das Fazit von Schormann zu dem Projekt: „Wissensmanagement in Kombination mit Web 2.0-Fuktionen führt zu einem hilfreichen und zeitgemäßen Arbeitswerkzeug für Mediziner“.

Der direkte Dialog mit der Gesellschaft zum Thema Mensch und Mobilität steht im Vordergrund der Unternehmenskommunkation der Otto Bock HealthCare. Dirk Artmann, Leiter Unternehmenskommunikation und Unternehmenssprecher, leitete aus dem Unternehmensleitbild die Grundlagen für diese Strategie ab. Mit konkreten Beispielen wie dem Otto Bock Science Center für Medizintechnik in Berlin oder dem paralympischen Engagement des Unternehmens zeigte er auf, wie nachhaltig Reputation aufgebaut wird. „Authentizität und Glaubwürdigkeit in der Wahrnehmung, bildet die Basis für unsere wertschöpfenden Dialoge mit unterschiedlichsten Zielgruppen vom Arzt bis zum Produktnutzer. Dabei müssen wir uns nicht verbiegen, sondern schärfen unsere aus einer langen Tradition des Familienunternehmens heraus geprägten Werte“, betonte Artmann eine nachhaltige Ausrichtung der Kommunikation. Er sieht in dem intensiven Dialog mit der Gesellschaft eine automatische Integration von Inhalten des Unternehmens in soziale Kommunikationsnetzwerke. Erste Versuche des Unternehmens mit Facebook oder Twitter wurden bereits gestartet.

Einen Blick auf die Krankenhauskommunikation im Web 2.0-Zeitalter warf Heiko Leske, Leiter der Unternehmenskommunikation des Universitätsklinikums Leipzig. Viele Häuser seien noch nicht in der neuen Zeit angekommen, in vielen Klinika seien Facebook, Twitter und Freemailer gesperrt. „Die Kliniken müssen akzeptieren, dass es die Online-Welt gibt. Sie müssen lernen, nach welchen Regeln die Online-Welt funktioniert und dementsprechend agieren“, so Leske. Die Krankenhäuser bräuchten eine Social Media-Strategie, ein systematisches Monitoring, ein Netzwerk von affinen Nutzern im Unternehmen und ein aktives, schnelles und effektives Beschwerdemanagement. Wichtig sei auch, die internen Informationsketten zu organisieren und selbst in Social Media vertreten zu sein, beispielsweise über eine eigene Facebook-Seite und einen Twitter-Account. Leske empfahl, auch ein internes Netzwerk zur Informationsbeschaffung aufzubauen – Wer hat Infos zu verschiedenen Themenbereichen? wer ist wann erreichbar – und die Verantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen. Vor Social Media-Aktivitäten sollte geklärt werden, welche Regeln für die Mitarbeiter gelten und welche Befugnisse die Social Media-Verantwortlichen haben. „Die Teilnahme bedeutet dabei immer auch die Abgabe von Kontrolle“, so Leske. Er gab auch Beispiele für die gemeinsame Kommunikation medizintechnischer Themen mit Unternehmen. Hindernisse seien hier die unterschiedliche Ressourcen-Verfügbarkeit sowie das Neutralitätsgebot der Kliniken.

Rechtsanwalt Marc L. Holtorf, Partner bei Clifford Chance in Düsseldorf, gab einen Überblick der rechtlichen Rahmenbedingungen für Kommunikation und Werbung mit Medizinprodukten in sozialen Netzwerken. Seine Botschaft: „Für Social Media gelten im Großen und Ganzen die gleichen Rahmenbedingungen und Freiräume wie für traditionelle Werbemaßnahmen. Social Media sind also keine rechtsfreien Räume.“ Zu beachten sind dabei vielfältige rechtliche Anforderungen, insbesondere aus dem Datenschutz, den (Tele)Mediengesetzen, den Werbevorschriften und dem Urheber- sowie dem Markenrecht. Beim besonders wichtigen Thema Datenschutz gilt ein einfaches rechtliches Prinzip: Im Hinblick auf personenbezogene Daten ist alles verboten, es sei denn, ein Gesetz gestattet es ausdrücklich oder es liegt eine wirksame Einwilligung vor. „Getarnte Werbung“ ist auch in sozialen Netzwerken rechtlich fragwürdig. Im Zweifel sollte immer mit offenen Karten gespielt werden, empfiehlt Holtorf. Vorsicht sei auch bei Chatrooms, Blogs und Foren geboten. Hier sollte es klare Nutzungsbedingungen geben. Holtorf's Fazit lautet: „Social Media eröffnen Werbetreibenden trotz einiger rechtlicher Fallstricke viele Möglichkeiten.“

(Quelle: PM 50/11 vom 8. Juni 2011, BVMed)

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